Dienstag, 24. November 2009

Hundehaltergesetz NÖ

Ich habe vom Verfasser des nachfolgenden Leserbriefes an Herrn Rauscher / Kurier, die Erlaubnis erhalten, diesen Leserbrief auch hier zu veröffentlichen. Da sind doch einige sehr interessante Aspekte drinnen, die JEDEN Österreicher, unabhängig davon, ob er Hundehalter ist oder nicht, interessieren sollten...

Werter Herr Rauscher

So sehr ich ihre Kommentare etwa in Sachen Zeitgeschichte auch schätze, verblüfft mich dann doch ihre Betonung des Gefühls vor der Ratio in sicherheitspolitischen Fragen.

Den Opfern und ihren Angehörigen ist natürlich nicht vorzuwerfen wenn sie ihre Traumatisierung in Gesetzesform gegossen sehen möchten. Den Medien schon eher, wenn sie mittels möglichst schockierender Bilder und reißerischen Artikeln die Traumatisierung Einzelner auf die Gesellschaft überwälzen. Hier könnte der große Vorteil der repräsentativen Demokratie
zum Tragen kommen, nämlich aktuellen Diskursen die heftigen Emotionen (den "Volkszorn") und den radikalen Schwung zu nehmen, Experten zu hören und dann nüchtern zu entscheiden. Heute scheint es dagegen eher "in" sich unter dem Fehlen des Korrektivs in Form der vierten Gewalt an die Spitze diverser Betroffenheitsbewegungen zu stellen, jeden Expertenrat als "unnütze Zerredung" beiseite zu wischen und (wie derzeit wohl Erwin Pröll) auf pure, auch noch so kontraproduktive Anlaßgesetzgebung auch noch stolz zu sein.

Dringend bedürfte es also gerade von Seiten kompetenter Journalisten einer Infragestellung der Vorzeichen dieses grassierenden, geradezu wahnhaften Sicherheitsdiskurses. Wollen wir in fernerer Zukunft auch nur Reste der klassischen bürgerlichen Freiheiten haben, kann es nicht darum gehen, ob Hunde beißen können, man mit Motorrädern verunfallen kann, das Internet
zwecks Download von Kinderpornographie genutzt werden kann oder Waffen töten können. Was einzig zählen müßte, ist ob die Masse der Gesetze, die Beschneidung von Grundrechten sowie die stets vorhergehende Hysterisierung der Öffentlichkeit, tatsächlich auch nur ein Quentchen mehr Sicherheit schaffen. Und hier ist nun einmal kühle Analyse der Daten gefragt, nicht das Abstellen auf noch so schockierende Einzelfälle.

Zumindest der Theorie nach hat- gemäß dem Grundsatz "in dubio pro libertate"- in einem liberalen Rechtsstaat nicht der Bürger seinen Besitz oder seine Freiheit zu rechtfertigen, sondern der Staat den Eingriff. Libertate wohlgemerkt, von securitas ist nichts zu lesen! Und mit
"rechtfertigen" sind auch keine bloßen Behauptungen gefragt, sondern harte Fakten.

Sollte sich unsere Zivilgesellschaft nicht noch aufbäumen, bewegen wir uns auf eine Gesellschaft zu, die absolut irrational nur mehr in Gefühlen und absurden Wahrscheinlichkeiten denkt. Der Klassiker "ein gerettetes Menschen/Kinderleben rechtfertigt alles" ist Ihnen ja sicher hinreichend bekannt. Das so wesentliche rechtstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit verschwindet dadurch zunehmends hinter einem Schwall an Ängsten und Betroffenheit. Der Psychohistoriker Lloyd de Mausse spricht am Beispiel der Hexenverfolgung von "Gruppentrance" in der jedes logische Denken verschwindet, vor allem gehandelt und geopfert werden muß um der kollektiven Psyche Erleichterung zu verschaffen. Parellelen zu heutigen
Befindlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen.

Gerade die Nischen für individuelle Entfaltung sind anfällig für eine Opferung durch unsere Gesellschaft. Sie werden zudem mit dem furchtbar debilen Argument des Diktats der Mehrheit - Motto: "für wos brauchens des"- eingedrückt. Den Protest einiger zehntausend Bürger nimmt man für gute Schlagzeilen eben gerne in Kauf. Eine breite Solidarisierung der Zivilgesellschaft mit den inkriminierten Minderheiten braucht man nicht zu fürchten- die Rechte von Asylanten kümmern die einen wenig, die der Hundebesitzer die anderen. Zu sehr haben in den Medien transportierte Klischees vom "Drogenneger" und "Kampfhund" die Köpfe vergiftet.

Vermutlich ist in Zukunft nur noch Bierkonsum, TV-Fußball und der VW Golf erlaubt - weil garantiert mehrheitsfähig. Ich denke in so einer Gesellschaft- und sei sie noch so hundefrei-würden Sie sich auch nicht wohlfühlen.

Mit besten Grüßen

1 Kommentar:

  1. Sehr schlauer Brief, kann dem Briefverfasser nur voll und ganz zustimmen. Individualität ist nicht gefragt in unserer Gesellschaft. Selbstdenker sind nicht lenkbar und lehnen sich vielleicht auf gegen Polidioten und deren Entscheidungen.

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